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Regenzeit

Strahlend blauer Himmel am frühen Morgen lädt dazu ein, die Wäsche zu waschen. Sie wird bestimmt trocken werden. Auf unserer Straße tummeln sich die Kinder und Frauen und wir alle genießen die warme Sonne. Ganz unvermittelt türmen sich dunkle Wolken auf, alles wirkt grau. Es fühlt sich ein bisschen nach November in Deutschland an, nur bei 20 Grad. Von weitem ist Donnergrollen zu hören, die ersten Blitze zucken am Himmel. Der Regen beginnt nicht sanft mit kleinen Tropfen, es schüttet gleich wie aus Kübeln ohne Unterbrechung. Der kleine Bach droht überzulaufen, die Straße solidarisiert sich mit ihm. Regen spritzt auf die Veranda und durchfeuchtet die Wäsche erneut. Nach einer Stunde ist der Spuk vorbei. Die Sonne strahlt von einem blauen Himmel.                                                                                                                          Wir lieben es am Abend, wenn die Kinder im Bett liegen, den Tag mit einem Glas Wein  auf unsere Veranda zu verabschieden. Wir sitzen auf unseren umgedrehten Eimern und klönen als sich plötzlich das Schauspiel vom Vormittag wiederholt. Es prasselt so stark auf das Wellblechdach, dass wir uns kaum noch unterhalten können. In kurzer Zeit ist unser 50 Liter Bottich voll, wie schön, Wasser zum Wäschewaschen. Es ist Regenzeit und das schon seit drei Wochen. Seit drei Wochen regnet es mindestens einmal am Tag, von Staub keine Spur mehr, dafür Matsch ohne Ende. „Und wessen Schuhe nicht mehr ganz, der macht jetzt einen Hackentanz“, das alte Kinderlied fällt mir dazu ein und setzt sich als Ohrwurm fest. Ich hab mir knallig bunte  Gummistiefel besorgt, eine Regenjacke fehlt immer noch.                          Die Temperaturen schwanken stark, vielleicht ist das der Grund warum ich mir eine sehr schmerzhafte Nierenbeckenentzündung zugezogen habe. Ein paar Tage habe ich versucht mich selbst zu kurieren, ohne Erfolg. Ehrlich gesagt hatte ich Angst davor in Tansania krank zu werden und zu irgendeinem Arzt gehen zu müssen. Na ja, jede Menge Kopfkino vorab. Als die Schmerzen so groß waren, dass ich nicht mehr richtig grade gehen konnte, hat Sadat mich in ein Taxi verfrachtet. Er wollte mich  in ein Krankenhaus für Europäer bringen, ich wollte das partout nicht. Letztlich sind wir in einem kleinen Krankenhaus gelandet, außer mir waren nicht viele Patienten da. Das Gebäude wirkte ein wenig marode. Bezahlt wird in allen Krankenhäusern erstmal im Voraus. Nach kurzer Wartezeit nahm uns ein älterer Arzt in Empfang, geduldig und sehr zugewandt hat er sich meine Symptome erklären lassen um dann einen Bluttest zu veranlassen, Malaria und Hepatitis wollte er ausschließen. Die Laboruntersuchung musste wieder separat bezahlt werden. Ein junger Mann nahm mir sehr kompetent Blut ab, übrigens mit einer Einwegspritze. Nach einer Weile lag das Ergebnis vor und ich wurde erneut von Dr. Mshana in Empfang genommen. Mit viel Geduld erklärte er uns das große Blutbild und untersuchte mich nochmal sehr gründlich und verschrieb mir Antibiotika, außer der Entzündung stellte er einen leichten Eisenmangel fest. Ich habe für die Untersuchung, Laborkosten und das Antibiotika keine 25 Euro bezahlt, inklusive einer Ernährungsberatung um meinen Eisenmangel auszugleichen. Die zugewandte und geduldige Art mit der er mich behandelt hat, hat mich beeindruckt. Natürlich war es sehr hilfreich, dass Sadat mich begleitet hat, aber Dr. Mshana spricht ein ausgezeichnetes Englisch, so dass ich ihn auch ohne Übersetzung gut verstanden habe. Er hat uns für den Notfall seine Telefonnummer gegeben, ich darf mich gerne wieder an ihn wenden. Vielleicht habe ich jetzt so etwas wie einen Hausarzt. Das war im Übrigen meine zweite Begegnung mit einem Arzt, vor ein paar Wochen war ich mit Mini im Krankenhaus, er hatte starkes Fieber und wir wollten unbedingt Malaria ausschließen. Auch hier nahm sich der Arzt viel Zeit und ging mit Mini schon fast liebevoll um. Ich will damit nicht sagen, dass hier das Gesundheitssystem besser ist, das ist es nicht, 25 Euro ist für eine tansanische Familie unter Umständen sehr viel Geld. Die Angst, die viele Europäer vor afrikanischen Ärzten haben, scheint mir unbegründet.

 

Nun bin ich seit ein paar Tagen wieder völlig gesund, aber es regnet immer noch oft und stark,  hin und wieder fällt deshalb der Strom aus. Die Regenzeit bindet die Menschen mehr an ihr Haus und das Leben findet nicht mehr soviel draußen statt. So komme ich wieder mehr dazu zu nähen, die afrikanischen Stoffe sind dazu sehr einladend. Außerdem komme ich viel mehr dazu, Kisuaheli zu lernen. Wir haben einige Zeit überlegt, ob wir einen Lehrer für mich suchen sollen, das Problem wäre dabei, das ich dann Englisch/ Kisuaheli lernen müsste.   Nun hat Sadat die Rolle des Lehrers übernommen, er ist sehr geduldiger mit mir, ich bin allerdings recht ungeduldig mit mir selbst. Es fällt mir nicht leicht zu lernen und vieles muss Sadat mir hundertmal erklären, aber ich mache Fortschritte, kleine, keine Quantensprünge. Einkaufen klappt wirklich schon sehr gut und ich merke immer mehr, dass ich Unterhaltungen ein wenig folgen kann. Manchmal sind es nur einzelne Wörter die ich verstehe, hin und wieder kurze Sätze, so dass ich einen Zusammenhang herstellen kann. Es gibt allerdings Situationen in denen ich mich bemühe Kisuaheli zu sprechen und damit mein Gegenüber irritiere, da sie von mir erwarten, dass ich Englisch spreche, obwohl Englisch nicht die Amtssprache ist. Innerhalb unserer Familie kauderwelschen wir immer noch fröhlich miteinander, die Jungs verstehen mittlerweile recht viel deutsch. Am besten klappt die Kommunikation auf Kisuaheli  mit den Kindern in unserer Straße, hier fühle ich mich nicht unter Druck gesetzt und kann einfach drauf los plappern.        Den Kindern verdanke ich auch, dass aus Mzungu immer mehr Elske wird. In unserer Straße sagt eigentlich keiner mehr Mzungu und auch in der Stadt werde ich nur noch sehr selten so angesprochen.  Oft werde ich mit Mama begrüßt, so werden ältere Frauen grundsätzlich angesprochen. Es ist normal, fremde Menschen zu grüßen. Eine Art der Begrüßung fasziniert mich nach wie vor. Jemand grüßt mit „Upo“ „Bist du da“, worauf man mit „Nipo“ antwortet „Ja, ich bin noch da“. Diese Art der Begrüßung stammt noch aus  den Zeiten, in denen sich Menschen auf Grund von Kriegen lange nicht gesehen haben und einfach froh sind, sich wieder zu sehen.  Merkwürdigerweise  werde ich sehr viel von Tansaniern gegrüßt und von Europäern ignoriert. Vor ein paar Tagen sind z.B. sechs Europäer an unserer Veranda vorbei gekommen, sie gehörten offensichtlich zu einem sozialen Projekt und haben eine Familie in der Nähe besucht. Die sechs gingen im Entenmarsch an uns vorbei und haben sich sehr viel Mühe gegeben mich nicht zu sehen. Ich bin eigentlich neugierig zu erfahren, wer sich hier als Europäer noch so tummelt, andere Europäer scheinbar nicht. Vielleicht sende ich aber nur die falschen Signale aus, wer weiß.   Das Konsulat dem ich eine E-Mail geschrieben habe, ignoriert mich jedenfalls auch, telefonisch war auch niemand zu sprechen und auch ein direkter Besuch brachte uns nicht das gewünschte Ergebnis, der Konsul hielt sich gerade in Dar-Es- Salaam auf, dies teilten uns zwei junge freundliche Frauen mit, Deutsch sprachen sie nicht und ich vermute ihr Englisch ist auch nicht bemerkenswert, gut das Sadat gedolmetscht hat. Das Büro war allerdings bemerkenswert, ca. 30 qm vollgestopft mit Akten. Wie sich Deutsche hier im Notfall Hilfe holen, bleibt für mich ein Rätzel. Wir hatten nur eine kleine Frage betreff Visavorschriften, aber immerhin hat sich die Deutsche Botschaft nach 8 Tagen per E-Mail gemeldet, das ist ja schon mal was. Vor ein paar Tagen ist das Baby von einer Nachbarin auf die Welt gekommen, ein gesunder kleiner Junge, der umwerfend süß aussieht. Um den glücklichen Eltern zu gratulieren haben wir ein paar Babysachen besorgt und dazu habe ich Muffins gebacken. Der Vater ist so stolz, dass nach drei Töchtern ein Junge zur Welt gekommen ist. Es hat mich so gefreut, dass sie mir den Kleinen gleich in den Arm gelegt haben und ich ihn eine Weile tragen durfte. Scheinbar gehöre ich doch immer mehr dazu.


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Kommentare: 2
  • #1

    Holbein Ulla und BOlle (Montag, 23 April 2018 10:58)

    Moin liebe Elske und Familie,
    wieder mal hab ich mit Spannung deine Zeilen gelesen! :)
    Es ist schon sehr interessant, was du dort so alles erlebst in der für uns doch noch immer sehr fremden Welt!...
    Allerdings scheinst du dich mehr und mehr dort unten zugehörig zu fühlen, das freut mich ganz besonders!...
    Im Moment ist bei euch Regenzeit, wir hatten jetzt im April ein paar Tage 30°, völlig ungewöhnlich für diese Zeit!
    Gott sei Dank bist du gesundheitsmässig auch wird gut aufgestellt, das ist äusserst wichtig!...
    Dort unten krank zu werden, davor hat man glaube ich die meiste Angst, aber sie scheint unbegründet, wie ich deinem Bericht entnehme.
    Allerdings wird es dir zum Vorteil sein, dass dein Mann von dort ist und dich begleitet, wenn es um so wichtige Termine wie Arztbesuch geht.
    Bleib gesund, ich wünsche dir/euch weiterhin eine wunderbare Zeit, herzlichst Ulla
    PS. Du solltest dir mal überlegen, ob du nicht ein Buch über dein jetziges Leben in Tanzania schreibst und veröffentlichst, könnte mir vorstellen, das würde viel Interessenten finden!...:)

  • #2

    Edith Vogel (Mittwoch, 28 November 2018 14:57)

    Hallo Elske,
    da ich von Ende April bis Ende Oktober viel unterwegs war und nur im Juli zu Hause war, habe ich deine Berichte aus deiner neuen Heimat nicht mehr gelesen! Doch ich werde dies noch nachholen. Ich bewundere deinen Mut für dieses neue Leben. Sehr schön wie das tägliche Leben nieder schreibst. Ulla hat schon recht, das gäbe ein schönes Buch!
    Dir und deinen Lieben weiterhin alles Gute
    Liebe Grüße aus der Rhön von Edith